„Aber Gott hat mir bis heute geholfen.
Deshalb stehe ich hier als sein Zeuge vor den einfachen Leuten wie vor den Mächtigen.“
Apostelgeschichte 26,22 nach der Basisbibel
Apostelgeschichte 26,22 ist das fulminante Ende der Verteidigungsrede von Paulus vor dem König Agrippa. Paulus steht vor Gericht als Aufrührer und Rebell gegen die jüdische Religion. Sein Prozess wurde schon zwei Jahre verschleppt (Apostelgeschichte 24,27). Agrippa soll jetzt die Beschuldigungen gegen Paulus feststellen, bevor er nach Rom vor den Kaiser gebracht wird. Paulus hatte sich auf sein römisches Bürgerrecht berufen, um nicht in Jerusalem gerichtet zu werden. Paulus geht in seiner Verteidigungsrede aber nicht Vorwürfe durch und entkräftet sie. Vielmehr erzählt er von seinem Weg vom Verfolger der ersten Christinnen und Christen hin zu einem Verkündiger des Evangeliums. Paulus liefert keine juristische Argumentation, sondern erzählt von seinem Leben, heute nennen wir das oft 'Zeugnis geben'. Was können wir von Paulus über unser Zeugnis lernen? Erstmal: Paulus soll eigentlich Zeugnis geben von seinen Taten und Unschuld, gibt aber letzten Endes Zeugnis von dem, was Gott in seinem Leben getan hat.
Was bedeutet aber Zeugnis geben? Im Gericht gebe ich mein Zeugnis ab, um meine Perspektive auf ein Geschehen darzustellen. Ein Zeugnis will etwas, es dient der Verteidigung oder Anklage. Zeugnisaussagen sind immer persönlich gefärbt und hängen an der Vertrauenswürdigkeit der bezeugenden Person. Ein Zeugnis kommt erst dann ans Ziel, wenn das Gegenüber dem Zeugnis glaubt und es als vertrauenswürdig ansieht. Das Zeugnis lebt von unserer Integrität und Vertrauenswürdigkeit, es sollte also authentisch sein. Paulus erzählt von der Hilfe und dem Beistand, die er erhalten hat. Er geht nicht über sich selbst hinaus und zitiert große abstrakte Gedankenkonstrukte. Er redet von seinem Leben und seinen eigenen Begegnungen mit Gott.
Das Zeugnis drückt uns selbst aus, deswegen ist es egal, ob wir Einfachen oder Mächtigen gegenüberstehen.
Auch heute ist unser Zeugnis viel lebendiger, wenn wir Leuten bezeugen, wie der Glaube unser Leben bereichert. Die Faszination unseres Glaubens und des Evangeliums ist nicht unsere Dogmatik oder logische Kohärenz, sondern der Gott, der uns in Jesus Christus ganz nah gekommen ist und sich aufgemacht hat, Gemeinschaft mit uns zu haben. Dieser Gott, der Beziehung mit uns will und den wir im Glauben erleben, von ihm geben wir Zeugnis.
Wann sollen wir denn Gott bezeugen? Paulus war zwei Jahre in Haft. In der Apostelgeschichte gab es nur wenige öffentliche Anhörungen, er wurde zum Zeugnisgeben aufgerufen. Wie lässt sich diese besondere Situation auf unser Leben übertragen? Das Zeugnis braucht Gelegenheit und Interesse. Es ist kein aufgedrängtes Gespräch, sondern basiert auf einer generellen Gesprächsoffenheit. Nah an den Menschen können wir warten, bis uns Menschen mit Interesse begegnen und uns zuhören wollen mit offenen Ohren und Herzen. Die Wirkung des Zeugnisses liegt nur zu einem Teil in unserer Hand: Wir können engagiert, begeistert, ehrlich von unserem Glauben erzählen, ob es aber Resonanz entfaltet, das liegt in Gottes Hand.
Unser Zeugnis braucht keine großen Argumente, keine ausgeklügelten Strategien. Es braucht lebendige Zeuginnen und Zeugen, die davon erzählen, was Gott Großes in ihrem Leben getan hat und von einem Gott schwärmen, der alles in Bewegung setzt, um in eine Beziehung zu uns zu treten. Dieser Gott ist der Urgrund des Zeugnisses. Er ist der Beweger und der im Zeugnis Bewegte. Der lebendige Gott wird sich bezeugen lassen und Herzen öffnen – und wir sind seine von ihm bewegten Zeuginnen und Zeugen.
Carl Heng Thay Buschmann
Wissenschaftlicher Mitarbeiter
Rektoratsassistent
Diakoniewissenschaft und Missiologie
Theologische Hochschule Elstal